Projektglossar

Grundlegende Konzepte des Projekts auf einen Blick

 

Design-Based Research

Der Design-Based Research-Ansatz (DBR) gilt als innovative Methode der Lehr- und Lernforschung (vgl. Reinmann 2005; Souvignier & Dignath 2010), die durch eine systematische Entwicklung, Kontrolle und Adaption pädagogisch-didaktische Interventionen verbessert. Der DBR-Ansatz zeichnet sich dadurch aus, dass die Ausarbeitung von Interventionen mehrere Phasen der Entwicklung unter wissenschaftlich evaluierten Bedingungen durchläuft.

Der Design-Based Research-Ansatz gewinnt im wissenschaftlichen Diskurs zunehmend an Bedeutung, ist jedoch in der fachdidaktischen Forschungspraxis bislang noch wenig bekannt. Die Arbeit mit diesem innovativen Ansatz stellt insbesondere für die Bildungsforschung ein großes Potenzial dar (vgl. Reinmann 2005). Das Projekt und die Veröffentlichung der Ergebnisse tragen somit zu dessen Verbreitung bei.

Mehrsprachigkeitsdidaktik

Nach Wiater (2006: 60) versteht man unter Mehrsprachigkeitsdidaktik „die Wissenschaft und Lehre vom kombinierten und koordinierten Unterrichten und Lernen mehrerer Fremdsprachen innerhalb und außerhalb der Schule. Ihr primäres Ziel ist die Förderung der Mehrsprachigkeit durch Erarbeitung sprachenübergreifender Konzepte zur Optimierung und Effektivierung des Lernens von Fremdsprachen sowie durch die Erfahrung des Reichtums der Sprachen und Kulturen.“ MeVoL weicht insofern von diesen Grundprinzipien der Mehrsprachigkeitsdidaktik ab, als im Unterrichtsdesign eine Fremd- mit der Schulsprache kombinieret wird. Dennoch steht im Design das Konzept des sprachenübergreifenden Unterrichts im Vordergrund: durch die Verknüpfung der beiden Sprachen sollen zwischen den einzelnen Sprachfächern Synergien geschaffen werden. Die interlinguale Gestaltung der Texte regt ferner idealerweise sprachübergreifende Rezeptionsprozesse an, beispielsweise indem fremdsprachige Passagen unter Rückgriff auf die deutschsprachigen Stellen entschlüsselt werden (sprachdidaktischer Aspekt). Schließlich machen MeVoL-Texte Mehrsprachigkeit als ein im Alltag allgegenwärtiges Phänomen sichtbar (sprachpolitischer Aspekt).

Literatur:
Wiater, W. (2006). Schule und Mehrsprachigkeit. Eine Problemanzeige. In: Ders. (Hg.). Schule in mehrsprachigen Regionen Europas. Frankfurt u. a.: Lang. S. 17–31.
Reinmann, G. (2005). Innovation ohne Forschung? Ein Plädoyer für den Design-Based Research-Ansatz in der Lehr-Lernforschung. Unterrichtwissenschaft, 33 (1), 52–69.

Lesemotivation

„Die aktuelle Lesemotivation einer Person bezeichnet das Ausmaß des Wunsches oder der Absicht, in einer bestimmten Situation einen spezifischen Text zu lesen.“ (Möller/Schiefele 2004: 102). Lesemotivation ist allerdings nicht nur ein „domänenspezifisches Konstrukt“, da sich die Domäne des Lesens von anderen, etwa musikalischen oder mathematischen, Domänen unterscheiden lässt, sondern sie ist auch ein „mehrdimensionales Konstrukt“ (Philipp 2010: 58). Mögliche Unterscheidungsdimensionen liegen unter anderem im Anreiz des Lesens (extrinsisch/intrinsisch) oder in der Häufigkeit des Vorkommens (aktuell/habituell) (ebd.). Das Erwartungs-Wert-Modell der Lesemotivation von Möller/Schiefele (2004: 105) berücksichtigt diese Mehrdimensionalität und bietet MeVoL motivationale Ansatzpunkte, etwa im Bereich der sozialen Umwelt (Erfahrungen, Leseverhalten wichtiger Personen) oder im Bereich der Wertkognitionen (Vergnügen). Im fremdsprachlichen Sekundarstufenunterricht, in welchem MeVoL angesiedelt ist, geht es hierbei unter anderem um das Ermöglichen positiver Leseerlebnisse, etwa indem durch das Vorlesen verstärkte Involviertheit der Zuhörenden ermöglicht werden soll (vgl. Stalder 2012). Grundsätzlich wird dabei versucht, den drei psychologischen Grundbedürfnissen, Autonomie, Kompetenz und soziale Eingebundenheit, nach Deci und Ryan, im gesamten Unterrichtsdesign Rechnung zu tragen (1993: 229).

Literatur:
Deci, E.L. und Ryan, M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. In: Zeitschrift für Pädagagogik 39/2. S.223-238.
Möller, J. und Schiefele, U. (2004). Motivationale Grundlagen der Lesekompetenz. In U. Schiefele, C. Artelt, W. Schneider u. P. Stanat (Hrsg.), Struktur, Entwicklung und Förderung von Lesekompetenz. Vertiefende Analysen im Rahmen von PISA 2000 (S.101-124). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Philipp, M. (2010). Lesen empirisch. Eine Längsschnittstudie zur Bedeutung von peer-groups für Lesemotivation und Verhalten. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Stalder, U.M. (2012). Leselust in Risikogruppen. Gruppenspezifische Wirkungszusammenhänge. Wiesbaden: Springer VS.

Anschlusskommunikation

Unter „Anschlusskommunikation“ werden gemeinhin die Gespräche verstanden, die der Lesende mit anderen (die den Text u. U. auch kennen) über den Text führt. Diese Gespräche haben die Funktion, gemeinsam mit anderen den Inhalt des gelesenen Textes zu rekonstruieren und das Textverstehen im Austausch mit anderen zu vertiefen (vgl. Rosebrock/Nix 2011: 28). In MeVol verstehen wir Anschlusskommunikation im Sinne von Hurrelmann (2002: 279) als die „Fähigkeit zum Aushandeln von Textbedeutungen in unmittelbarer sozialer Interaktion“. Sie dient zur Eingrenzung unterschiedlicher Lesarten eines Textes oder auch zur Bewusstmachung von den in einem Kulturkreis etablierten Textrekonstruktionsprozessen (vgl. ebd.).

Literatur:
Hurrelmann, B. (2002). „Prototypische Merkmale der Lesekompetenz“. In: Groeben, N. & Hurrelmann, B. (Hrsg.). Lesekompetenz. Bedingungen, Dimensionen, Funktionen. Weinheim usw., Juventa: 275–286.
Rosebrock, C. & Nix, D. (2011). Grundlagen der Lesedidaktik und der systematischen schulischen Leseförderung. 4., korr. und ergänzte Aufl. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.

Hörstrategien

Unter Hörstrategien versteht die Fremdsprachendidaktik und -linguistik kontrollierte, bewusste und zielgerichtete kognitive Prozesse, die einem language user dabei helfen, einen Text in der Fremdsprache zu verstehen (vgl. Vandergrift & Goh 2008: 91). Obwohl Hörstrategien für die Verbesserung der Hörkompetenzen zentral sind, wird ihnen, wie Vandergrift & Goh ausführen, in aktuellen Unterrichtsbüchern und Unterrichtsformen kaum Aufmerksamkeit geschenkt, da Lehrpersonen oft selbst unsicher sind, wie Hörstrategien vermittelt werden können. Dies führe dazu, dass Hörkompetenzen im Unterricht zwar regelmäßig getestet, aber selten trainiert werden (vgl. ebd. 4). Es ist davon auszugehen, dass sich ein gezieltes Hörstrategietraining im sprachenübergreifenden Design MeVoL nicht nur positiv auf die Hörkompetenzen in L2 auswirkt, sondern dass die erlernten Strategien ebenso auf weitere Sprachen übertragen werden können (vgl. Jessner 2006: 127).

Literatur:
Jessner, Ulrike. 2006. Linguistic Awareness in Multilinguals. English as a Third Language. Edinburgh: University Press.
Vandergrift, Larry and Christine C. M. Goh. 2008. Teaching and Learning Second Language Listening. New York and London: Routledge.

Scaffolding

Der Begriff ‚Scaffolding‘ steht in engem Zusammenhang mit Vygotskijs (1934(russisch)/2002) Theorie der ‚Zone der proximalen Entwicklung‘ frühkindlichen Lernens. Darunter wird das Lernpotential des Kindes verstanden, also den Bereich zwischen dem, was es bereits selbständig ausführen kann, und dem, was es durch geeignete Unterstützung eines Lernbegleiters zu leisten vermag. Die Zone der proximalen Entwicklung ist der primäre Aktivitätsbereich für erfolgreiches Lernen. ‚Scaffolding‘ als Begriff wurde von Wood, Bruner und Ross (1976) eingeführt und beschreibt ursprünglich eine lernwirksame Unterstützung eines Tutors gegenüber einem Kind durch die Modellierung eines Problemlösungsverhaltens. Der Begriff greift auf Metaphorik eines ‚Gerüsts‘ als Unterstützung von Lernen zurück. In MeVoL findet Scaffolding in allen Phasen des Vorlesens im Sinne von unterstützenden Maßnahmen (Van Lier 1996) zur Bewältigung der zweisprachigen Verstehensaufgabe statt. Beispielsweise wird am Anfang der erste Textteil in der Schulsprache vorgelesen. Dieses Vorgehen unterstützt insbesondere das Globalverständnis und bietet den Lernenden im Vorfeld Verständnisinseln, wenn beim später vorgelesenen fremdsprachigen Text einzelne Wörter oder Sätze nicht klar werden.

Literatur:
van Lier, L. (1996). Interaction in the language curriculum: Awareness, Autonomy and Authenticity. London: Longman.

Vygotskij, L. S. (1934(russisch)/2002). Denken und Sprechen. Psychologische Untersuchungen: Hrsg. und übers. von J. Lompscher und G. Rückriem. Weinheim: Beltz.
Wood, D., Bruner, J. S. & Ross, G. (1976). The role of tutoring in problem solving. Journal of child psychology and psychiatry (17), 89-100.